Montag, 29.6.2009: Heute serviert uns Skipper Robert weichgekochte Eier zum Frühstück.
Strassburg
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Die Hauptstadt des Département Bas-Rhin ist mit über 270.000 Einwohnern die größte unter diesen oberrheinischen Städten. Dass ausgerechnet sie, die vielfach gebeutelte Grenzstadt zwischen Frankreich und Deutschland, zum Sitz von Europarat und Europäischen Parlament erwählt wurde, ist ein hoffnungsträchtiges Zeichen. Es steht für das neue Bewusstsein einer Zusammengehörigkeit, die nicht auf Gleichmacherei aus ist, vielmehr Identität und Gemeinsamkeit aus dem Erbe von Vielfalt und Verschiedenheit gewinnt.
Um 9:15 Uhr brechen wir auf zu einer
Stadtbesichtigung. Zuerst besuchen wir gleich La
Petite France (das Kleine Frankreich) mit seinen zahlreichen
malerischen Winkeln, mit alten Mühlen und reizvollen Brücken, aufwendigen
und einfacheren, aber allemal pittoresken Häusern, reich verzierten Balkonen,
Galerien und Innenhöfen und nicht zuletzt zahlreichen hübschen Kneipen,
die zur Einkehr laden.
Im früheren Gerberviertel stank es in den nun so herausgeputzten alten
Fachwerkhäusern zum Himmel. Heute ist das "Kleine Frankreich"
westlich des Münsters die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt und dementsprechend
überlaufen.
Das Wasser, das sich in diesem elsässischen "Klein Venedig" verzweigt, strömt unter den Pont Couverts herbei. Diese "gedeckten Brücken" überspannen die vier Arme der Ill mit ihren vier Türmen, die noch auf die Stadtbefestigung von 1228 und 1334 zurückgehen.
Unser Weg führt uns zur St. Thomas Kirche, der nach dem Münster größten Kirche der Stadt. Ihre Ursprünge gehen auf das das 7. Jh. zurück, die heutige Kirche ist die dritte an gleicher Stelle, 1196 nach einem Stadtbrand errichtet. Aus dieser Zeit stammt noch die wehrhaft-wuchtige Fassade mit ihrem Mittelturm. Das ursprünglich dreischiffige Langhaus wurde nach 1300 zur fünfschiffigen Halle erweitert und gotisch eingewölbt. Blickpunkt aber ist das früher als monströs geschmähte, heute von den Kunsthistorikern als Hautwerk der französischen Sepulkralkunst des 18. Jh. gepriesene Prunkgrab des königlichen Generalfeldmarschalls Moritz von Sachsen (Mausolée du Maréchal de Saxe). Der 1696 in Goslar geborene Sohn Augusts des Starken und der Gräfin Aurora von Königsmarck hatte sich im österreichschen Erbfolgekrieg als französischer Feldherr verdient gemacht. Nach seinem Tod 1750 bestellte Ludwig XV. höchstpersönlich ein Grabmonument beim damals bedeutendsten Bildhauer der Hauptstadt, Jean-Baptiste Pigalle. Interessant ist die ausgesprochen dramatische Ikonographie: Besiegt liegen Löwe (Holland), Leopard (England) und Adler (Österreich) der steilen Pyramide zu Füßen, weinend entflieht ein Putto (ist in der Skulptur und Malerei eine Kindergestalt, die meist wenig bekleidet oder nackt auftritt, mit oder ohne Flügel) mit gelöschter Fackel, der Feldherr indes steigt todesmutig hinunter ins Grab. Verzweifelt versucht ihn eine mäßig bekleidete Frau (Frankreich) zurückzuhalten, doch es hilft nichts. Schon hebt der Tod den Sargdeckel und Herkules versinkt in brütende Traurigkeit.
Immer neue Details und reizvolle Ensembles treten in unser Blickfeld. Wir erreichen nun den großzügig angelegten Place Gutenberg mit der Statue des großen Johannes Gutenberg, dem Erfinder der Buchdruckerkunst.
Als Inbegriff Straßburgs und
zugleich als eine der schönsten Schöpfungen gotischer Baukunst gilt
die Cathedrale Notre-Dame (Münster
Unserer Lieben Frau). Wir sind fasziniert von der gewaltig aufragenden Fassade
mit ihrer vor allem im Abendlicht sandsteinrot glühenden "Harfenbespannung"
und der berühmten Fensterrose. Eine "Harfe aus Stein" wurde die
Westfassade mit den figurenreichen Portalen, der sechzehnteiligen Fensterrose
und den klöppelspitzartigen Maßwerkpartien darüber genannt.
Die Bauzeit reichte vom Ende des 12. Jh., als die spätromanischen Partien
von Apsis und Querhaus entstanden, bis 1439, als der Kölner Baumeister
Johannes Hültz der Fassade die spätgotische Turmspitze in 142 m Höhe
aufsetzte. Diese diente dem jungen Goethe dazu, seine Höhenangst zu bekämpfen.
Er stieg regelmäßig zu ihr hinauf.
Auch wir besteigen den asymmetrisch aufragenden, 142 m hohen Turm. 329 schweißtreibende
Stufen sind es bis zur Plattform in 66 m Höhe, dann liegt uns ganz Straßburg
zu Füßen.
Im Kircheninnern, nach dem Abstieg,
umfängt uns sogleich geheimnisvolles Dämmerlicht, in dem die mittelalterlichen
Kirchenfenster farbenprächtig glühen. Kunstvoll gebündelte Säulen,
Spitzbogenarkaden zwischen den drei Schiffen und die unglaublich hohen Kreuzrippengewölbe
des Mittelschiffs verkörpern das Ideal der himmelwärts strebenden
gotischen Baukunst.
Zwei Glanzstücke der reichen, vorwiegend spätmittelalterlichen Innenausstattung
befinden sich im südlichen Seitenschiff: Der Engelspfeiler, dessen schlanke
Himmelsboten elegant zum Jüngsten Gericht posaunen, sowie die Astronomische
Uhr. Seit 1547 ziehen jeden Tag um 12:30 Uhr ihre 12 Apostel vor Christus vorbei.
Retour nach "Petite France" zum Mittagessen im Restaurant "Le Kougelhopf": Robert bestellt Lasagne, Gabi Quiche Lorraine, Manfred das Tagesmenü (Rindfleisch in Burgundersauce) und ich Elsässischen Flammkuchen.
Unser Boot liegt im Schatten eines großen Baumes, daher ist es bei unserer Ankunft an Bord angenehm kühl. Um 14:20 Uhr legen wir ab und verlassen das liebliche Straßburg in Richtung Heimatbasis.
Nach wenigen Kilometern und nur 2
Schleusen legen wir um 16:30 Uhr in der Marina Souffelweyersheim
(Schleuse Nr. 50) an. Souffelweyersheim liegt in der Oberrheinebene zwischen
Vogesen und Rhein, etwa 6 km nördlich von Straßburg.
Das erste Mal erwähnt wurde der Ort 1156 unter dem Namen Wickersheim. War
der Ort zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch überwiegend landwirtschaftlich
geprägt, so brachte die Industrialisierung im Norden Straßburgs einen
starken Bevölkerungszuwachs wegen der Arbeitsplätze in der Nähe
(Bahnbetriebswerk in Bischheim, Rangierbahnhof in Niederhausbergen). In den
1960er Jahren gab es durch die Aufnahme in den Stadtverband Straßburg
einen neuen Schub, die Gemeinde wurde auch als Wohngemeinde für Straßburg
wichtig. Seit 2000 gibt es im benachbarten Hnheim auch einen Anschluss
an die Straßenbahn Straßburg.
Wir machen uns wieder einmal landfein und spazieren durch den kleinen Ort. Nach der Besichtigungstour sind wir sehr durstig und finden das einzige geöffnete Lokal in dem Ort, das Restaurant "Auberge du Hans" mit einer schattigen Terrasse im Innenhof. Wir bestellen nur kleine Salate, Biere und Limonaden, da wir zu Mittag bereits reichlich gegessen haben. Der Kellner ist wegen unserer kleinen Bestellung allerdings etwas verwirrt und möchte unbedingt noch wissen, was wir denn als Aperitif und als Hauptspeise wollen.
Auf unserer Hausbootterrasse genießen
wir dann den warmen Sommerabend und den Sonnenuntergang.
Das Wetter heute: Sonnig und heiß.