12. Tag: Am Morgen ist es wieder sehr kalt und wir heizen ein. Nach dem Frühstück marschiert eine Hirschfamilie nahe an unserem Wohnmobil vorbei. An der Dump-Station tanken wir noch Frischwasser und fahren dann auf den Icefields Parkway (= Hwy. 93).

Icefields Parkway: Der Streckenabschnitt von der Einmündung in den Hwy. 16, kurz nach Jasper, bis zur Abzweigung des Trans Canada Highway (Hwy. 1), 2 km nördlich des Dorfes Lake Louise, wird als Icefields Parkway (230 km) bezeichnet. Die Hochgebirgsstraße verläuft parallel zur kontinentalen Wasserscheide und folgt nacheinander fünf Flußläufen: dem Athabasca River, dem Sunwapta River, dem North Saskatchewan River, dem Mistaya River und dem Bow River. Der "Parkway" verläuft in ungefähr Nord-Süd-Richtung. Er überquert 2 Pässe, den Sunwapta Paß (2.035 m) und den Bow Summit (2.069 m). Die landschaftliche Schönheit dieser Straße sucht auf unserer Erde ihresgleichen. Eisströme, die sich aus den Gletschertoren ergießen und die fast bis an die Straße reichen, hängende Gletscher hoch im Gebirge, schneebedeckte Gipfel bis 3.600 m, hohe Pässe, gewaltige Felsmoränen, die die Täler säumen, rauschende Flüsse und unberührte Wälder fordern immer wieder zum Verweilen und Fotografieren auf.

Abstecher zum Mount Edith Cavell: Der Berg erhielt seinen Namen nach der englischen Krankenschwester Edith Cavell, die im Ersten Weltkrieg in Belgien Belgier und Franzosen versteckte und dafür von den Deutschen am 12.10.1915 exekutiert wurde. Die Kanadier, die ebenfalls Soldaten in diesen irrsinnigen Krieg geschickt hatten, setzten der Märtyrerin durch einen Stein und den nach ihr benannten 3.363 m hohen Mount Edith Cavell ein bleibendes Denkmal. Das markanteste Merkmal des Berges sind die schrägen Felsformationen, die zum größten Teil aus Quarzsandstein bestehen.

Die Athabasca Falls: Nur 400 m vom Parkplatz entfernt stürzt sich der Athabasca River, über einen Felsvorsprung polternd, in eine 25 m tiefe, abgründige Schlucht. Die tobenden Wassermassen scheinen zu kochen. Diese Fälle gehören zu den eindrucksvollsten der Parks.
Vor Hunderttausenden von Jahren war die Lippe des Wasserfalls dort, wo heute die Brücke steht, von der man als Besucher sicher in die tosenden Fluten sehen kann. Jetzt hat sich der Fluß soweit in Gestein eingesägt, dass die Lippe des Wasserfalls bis an die Schlucht zurückversetzt ist. Dort stürzen jetzt die Wassermassen donnernd in die Tiefe. Das reißende Wasser und die mitgeführten Steine haben die Wände der Schlucht glattgeschmirgelt. Außerdem sind runde Vertiefungen, sog. Strudelkessel, entstanden. Nachdem sich der Fluß im Fallen ausgetobt und erschöpft hat, wird er wieder ruhiger und breiter.
Der Wetterbericht im Info-Center in Jasper versprach für heute Schlechtwetter. Wir konnten die wunderschönen und beeindruckenden Wasserfälle jedoch im strahlenden Sonnenschein bewundern.

Vom Icefields Parkway sehen wir den noch schneebedeckten Mount Fryatt (im Hintergrund) mit dem Athabasca River.

Wir fahren nun die "Promenade des Glaciers'", wie der Hwy 93 South auch genannt wird, weiter und treffen am Straßenrand auf weiße Schneeziegen.

Picknick am "Mount Christie Picnic Site" im Wald am Athabasca River bei herrlichem Sonnenschein. Der Herbst läßt sich jedoch nicht aufhalten und folgt uns auch bis hierher.

Unterwegs wird der Highway immer wieder von Dickhornschafen bewacht, die neugierig unser Treiben beobachten.

Die Fahrt geht weiter bis zum Columbia Icefield Information Center und besorgen uns Tickets für die Gletscherfahrt um 16 Uhr (pro Person C$ 23,50). Inzwischen ziehen wir uns warm an, kehren zum Info-Center zurück, gehen zu Gate A, wo uns das Snowshuttle in 8 Minuten den Berg hinauf bringt. Dort steigen wir um in einen "Snocoach" und fahren den Gletscher hinauf auf das durch Sedimente verschmutzte, graue Gletschereis. Die "Snowmobils", das sind gewaltigeSpezialfahrzeuge mit riesigen Ballonreifen.

Eine beliebte Touristenattraktion, natürlich auch für uns. Nach einer 15minütigen Fotopause, wo wir ermahnt werden, den Gletscherspalten nicht zu nahe zu kommen, geht es wieder hinab ins Tal. Der Busfahrer erzählt uns, dass wir heute einen der 10 schönsten Tage dieses Jahres erwischt haben. Vom Parkplatz des Info-Center hat man einen phantastischen Blick auf den Ausläufer des Athabasca Gletschers.

Columbia Icefield: Insgesamt hat das Columbia Icefield eine Ausdehnung von 325 km² und ist bis zu 365 m dick. Man sieht von der Straße aus nur einen geringen Teil des Eisfeldes, das sein Schmelzwasser in drei Weltmeere ergießt: Über den Athabasca River ins Nordpolarmeer, über den North Saskatchewan River in die Hudson Bay, einer Bucht des Nordatlantiks, und schließlich über den Bush River, Sullivan River und Kinbaskat River, die alle drei in den Columbia River münden, in den Pazifik.
Erschreckend ist, in welcher kurzen Zeitfolge sich der Abschmelzungsprozeß dieser größten zusammenhängenden Eismasse der Rockies durch Erwärmung der Erde ereignet. Es sind entsprechende Jahresmarken an der Gletscherzunge des Athabasca Gletschers angebracht. Um die Jahrhundertwende reichte dieser Gletscher noch bis an den Highway heran.
Ein alpines Eisfeld entsteht durch die jahrelange Ansammlung von Schnee (pro Jahr im Durchschnitt 7m) auf den hohen Bergspitzen und Hochebenen und bei nur geringer Schneeschmelze im Sommer. Wenn der Schnee etwa 30 m tief ist, verwandeln sich die unteren Schichten durch den Druck zu Eis. Weiterer Schneefall bewirkt, dass die Eisschicht tiefer wird, bis sie sich schließlich in die umliegenden Täler ausweitet und bergab fließt und - ein neuer Gletscher entsteht! Obwohl der größte Teil des Columbia Icefields von der "Snocoach"-Straße her nicht sichtbar ist, bedecken seine Ausläufer die umliegenden Berge wie Zuckerguß einen Kuchen.
Wir befanden uns gerade auf der Oberfläche des Athabasca Gletschers, einem der vielen Gletscher, die vom Columbia Icefield genährt werden. Der Athabasca Gletscher fließt stetig bergab, aber so langsam, dass man keine Bewegung erkennen kann. Das Eis innerhalb des Gletschers bewegt sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, so wie die Strömungen eines Flusses. Die untersten Eisschichten des Gletschers befinden sich unter enormen Druck und werden dadurch "plastikähnlich", d.h. sie können über Felsgestein fließen, ohne brüchig oder rissig zu werden. Die oberen Schichten sind brüchiger. Sie springen auf und bilden Gletscherspalten, wenn sie Gegendruck ausgesetzt sind, ähnlich den riesigen Eisfällen am oberen Ende des Gletschers.
Durch die Bewegung des Gletschers muß die Straße, auf der die Schneemobile zum Eisfeld fahren, alle 3 Jahre neu angelegt werden, da sie sich pro Jahr um ca. 30 cm seitwärts verschiebt.

Stutfield Glacier: Von einer Aussichtsplattform hat man einen besonders eindrucksvollen Blick über das Tal des Sunwapta River, weiter geht der Blick auf den Stutfield Glacier (3.505 m). Der Gletscher ist nach Hugh Stutfield benannt, der 1898 dieses Eisfeld als erster Europäer bestieg.

Nach diesem beindruckenden Ausflug auf den Gletscher fahren wir zum nahen "Wilcox Creek Campground". Wieder mitten im Wald mit Blick auf den Mt. Athabasca und Saskatchewan Glacier. Unser Abendessen verspeisen wir im Freien, da es trotz der 2.000 m Höhe noch nicht zu kalt ist.

Das Wetter heute: sonnig, sehr warm, auch in 2.000 m Höhe um die 20°C.

Tagesstrecke: 114 km

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