Freitag, 17.6.2005:

Um 7 Uhr ist Tagwache, denn wir haben heute eine längere Etappe vor uns.
Vom Campingplatz in Åndalsnes auf der E136 bis Dombås und dann auf der E6 nach Lillehammer.

Lillehammer als Verwaltungssitz der Provinz Oppland am Eingang des Gudbrandstals ist mit seinen 23.000 Einwohnern die zweitkleinste Olympiastadt der Geschichte. Die Spiele im Februar 1994 haben natürlich ihre Spuren in Stadt um Umland hinterlassen, der Kleinstadtcharakter Lillehammers ist aber erhalten geblieben. Holzhäuser aus dem Ende des 19. Jahrhunderts verleihen der Hauptstraße einen besonderen Charme, den wir aber wegen des strömenden Regen nur ansatzweise und schemenhaft erkennen können.
Beim Bau der Sportanlagen wurden Umweltaspekte und traditionsreiches norwegisches Design berücksichtigt, so dass die Spiele keine klotzigen Fremdkörper in der Landschaft zurückließen. Ein Musterbeispiel ist die aus Holz errichtete Eislaufhalle in Hamar südlich der Olympiastadt, die in ihrer Architektur an den Rumpf eines umgestülpten Wikingerschiffes erinnert.

Auf der E6 fahren wir nun immer Richtung Süden bis Oslo.
In Oslo fahren wir zum "Ekeberg Camping" der gut beschildert und leicht zu finden ist. Wir bezahlen hier ohne Strom und Duschen stolze NOK 205,- (stadtnaher Campingplatz), dafür bietet er einen wunderschönen Ausblick auf die Stadt Oslo, der heute noch durch einen doppelten Regenbogen gekrönt wird.

 

Das Wetter heute: Die ganze Strecke starker Regen, in Oslo nur kurze Regenschauer, sonst sonnig.
KM-Stand: 25.197
Tagesstrecke: 518 km

Samstag, 18.6.2005:

Gegen 8 Uhr brechen wir bei Sonnenschein vom Ekeberg Campingplatz auf der E6 Richtung Göteborg auf.
Bei Moss biegen wir zu einem Parkplatz ab und frühstücken, dann spulen wir weiter unsere Kilometer auf der E6 herunter.

Um exakt 11 Uhr verlassen wir Norwegen und überqueren bei Svinesund die Grenze zu Schweden. Von hier verläuft die E6 weiter bis Göteborg.

Mittagessen wird auf einem Autobahnparkplatz bei Munkedal eingenommen und 1 Stunde später gibt es die obligatorische Kaffeepause mit Wienerbrød (Blätterteiggebäck mit Apfelfülle und Nüssen) bei Göteborg.
Wir radeln nun weiter auf der E6 Richtung Malmö.

Um genau 19:30 Uhr verlassen wir Schweden auf der Öresund Brücke und sind jetzt wieder in Dänemark. Ab hier fahren wir auf der E20, lassen Kopenhagen rechts von uns liegen, fahren weiter zur Ausfahrt 26 nach Ishøj Havn zum Tangloppen Campingplatz. Der ruhige Platz liegt direkt am Yachthafen und kostet DKK 145,- ohne Strom, aber inklusive Duschen.
Abendessen: Restlicher Weißwein, Pastete und Brot.

Das Wetter heute: Sonnig und warm.
KM-Stand: 25.881
Tagesstrecke: 684 km

Sonntag, 19.6.2005:

Es ist stark bewölkt. Wir richten unser WOMO für die Weiterfahrt her und radeln weiter auf der E20, bis wir wieder auf der riesigen Brücke über den "Großen Belt", nach Odense und weiter nach Kolding und Jütland kommen. Die Sonne scheint und es ist sommerlich warm.
Jetzt geht es weiter südwärts auf der E45.

Um 14:15 Uhr passieren wir die Grenze Dänemark - Deutschland, fahren nun die E45 über Flensburg nach Schleswig und von hier auf der 76 bis Eckernförde, dann links weg auf die 503 zu unserem heutigen "Gröhnwold Campingplatz".
Der Platz liegt wieder direkt am Meer. Wir nutzen die Gelegenheit, schlüpfen in unsere Badehosen und spazieren zum Strand. Die Ostsee ist gar nicht so kalt wie wir zuerst dachten. Einige Wasserratten schwimmen bereits im Meer.
Nach dem Duschen machen wir uns fein und fahren mit dem WOMO einige Kilometer weiter in den Ort Strande, wo wir fein zu Abend essen und unseren Hochzeitstag nachfeiern möchten.
Wir erfahren, dass gerade heute die Kieler Woche beginnt und der Ort voll von Segelfreunden ist. Auf dem gemeindeeigenen Parkplatz finden wir dann aber doch noch ein freies Plätzchen für unser WOMO.
Wir setzen uns im Strandhotel an einen sonnigen Tisch und bestellen eine Hummercremesuppe (gemeinsam), für Manfred ein Heilbuttfilet mit Lauchgemüse, Bratkartoffeln mit Speckwürfeln und gemischter Salat, und für mich ein Lachsfilet mit Frühlingszwiebeln und Gemüse-Safransauce und Basmatireis. Dazu je ein Glas Weißwein.
Nach einem Yachthafenspaziergang fahren wir wieder zurück zum Campingplatz, dort halte ich wie jeden Tag die Eindrücke des Tages im Taschencomputer (PSION Revo, alt aber gut!) fest, ehe wir den Abend bei einem Kartenspiel ausklingen lassen.

Das Wetter heute: Anfangs bewölkt, ab Mittag dann sonnig und warm.
KM-Stand: 26.320
Tagesstrecke: 439 km

Montag, 20.6.2005:

Da wir uns bereits in Deutschland aufhalten, haben wir bis zu unserer Abreise noch genügend Zeit und können wieder einmal im Freien frühstücken.
Anschließend fahren wir die wenigen Kilometer nach Kiel, suchen uns nördlich der Stadt einen gebührenfreien Parkplatz und wandern durch den Park und den anschließenden Wald zur Uferpromenade. Zu unserer Überraschung gibt es hier einen Jahrmarktstand nach dem anderen. Wir gehen Richtung Innenstadt "Alter Markt". Auch hier sind überall Festbühnen und Stände mit Leckerbissen aus der ganzen Welt aufgestellt. Auch Spezialitäten aus Österreich sind dabei, wie verschiedene Weine und Schnäpse, Gösser Bier, Almdudler und Vöslauer. Zum Essen gibt es Tiroler Gröstel, Germknödel, Krainer Würstel, Sacher - und Mozarttorte, Wiener Apfelstrudel und vieles mehr.

Kiel: 10º 08' 01" Östliche Länge, 54º 19' 27" Nördliche Breite: 106 Meter hoch ragt genau hier der Kieler Rathausturm auf. Von seiner Aussichtsplattform in 67 Metern Höhe hat man einen Rundblick auf 11.363 Hektar Stadtfläche und den Hafen.

1242 Verleihung der Stadtrechte (Gründung zwischen 1233 und 1242, genaues Datum ist nicht bekannt)
1431 Erste Erwähnung des Kieler Umschlags, des zentralen Geld- und Warenmarktes für Schleswig und Holstein
1665 Gründung der Christian-Albrechts-Universität
1871 Kiel wird Reichskriegshafen
1918 Matrosen und Arbeiter geben in Kiel das Signal zur Revolution in Deutschland, sie führt zur Gründung der Weimarer Republik
1936 Kiel ist zum ersten Mal Olympiastadt
1946 Kiel wird Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein
1972 Zum zweiten Mal Olympische Segelwettbewerbe in Kiel
1982 Die Kieler Woche feiert ihr 100-jähriges Jubiläum
1992 750 Jahre Stadt Kiel
1995 100 Jahre Nord-Ostsee-Kanal
1997 Erste direkte Oberbürgermeisterwahl
2000 Kai-City Kiel als Weltweites EXPO-Projekt
2000 Gründung des Multimedia-Campus Kiel

Das Meer reicht bis in das Herz der Stadt, nicht nur auf der Landkarte, sondern auch emotional. Das größte Stück Natur in Kiel ist die Förde. Die maritime Stadtansicht mit den Hafenanlagen, den riesigen Passagierfähren und den enormen Portalkränen auf der Werft ist für die Kielerinnen und Kieler der beste Ausdruck für ihr besonderes Lebensgefühl. Wasser ist das prägende Element für Kiel. Das zeigt sich im expandierenden Hafen oder der internationalen Meeresforschung, in der hochspezialisierten Marine oder dem Wassersport der Weltklasse.
Es gilt auch immer mehr für das Wohnen am Wasser. Die Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins ist eine traditionsreiche Werft- und Marinestadt, besitzt eine lebendige Studentenszene und urbanen Charme. Den Kopf in der frischen Luft, die typischen Geräusche eines Hafens stets im Ohr genießen die Kielerinnen und Kieler die Vorzüge einer grünen Großstadt mitten im Ferienland Schleswig-Holstein, mit Parks, Fördedampfern und eigenen Stränden.
Das finden besonders die Kieler Kinder gut. Die haben übrigens auch einen maritimen Spitznamen: "Kieler Sprotten" heißen sie, wie der kleine, schmackhafte Räucherfisch, der seit Hunderten von Jahren Werbung für die Stadt an der Förde macht. Wirtschaftlich spielt der Fischfang aber keine große Rolle mehr für Kiel. So wie Schleswig-Holstein sich vom Agrarland zum High-Tech-Standort entwickelt hat, setzt auch die Hauptstadt des Landes zeitgemäße Schwerpunkte. Kiel hat den fälligen Strukturwandel als Chance begriffen - und nutzt sie konsequent.

Kieler Woche: Am 23.Juli 1882 starteten 20 Yachten, darunter eine dänische, vor dem Düsternbrooker Ufer in Kiel zu einer Regatta auf der Förde. Tausende von Schaulustigen säumten die Ufer. Der Versuch des Norddeutschen Regattavereins (NRV), außerhalb von Hamburg eine Wettfahrt zu organisieren, wurde als Erfolg angesehen. Da auch Marinesegler vor Ort das Regattasegeln fördern wollten, wurde für das folgende Jahr eine weitere Wettfahrt verabredet. Die Kieler Sommerregatta wurde zu einer Institution.
1892 lagen erstmals 100 Meldungen vor, neben europäischen Ländern beteiligten sich auch US-amerikanische Segler. Bis 1888 hatte der NRV das noch namenlose Segelereignis allein organisiert, dann kam der Marine-Regatta-Verein hinzu, aus dem im Mai 1891 der "Kaiserliche Yachtclub" (KYC) hervorging, dessen Kommodore Prinz Heinrich wurde. 1894 wurde erstmals in der Presse von der "Kieler Woche" gesprochen. An der nahm nun auch regelmäßig Kaiser Wilhelm II. teil. 1895 schloss sich die Kieler Woche an die mit Pomp und Marinebesuch aus vielen Ländern inszenierte Eröffnung des "Kaiser-Wilhelm-Kanals" (Nord-Ostsee-Kanal) an. Das Segelereignis war längst umrahmt von der Kriegsflotte und sollte die "Welt- und Seegeltung" des Kaiserreichs demonstrieren.
Inzwischen kamen bis zu 500 Yachten nach Kiel, besuchten der Zar Alexander III. (1892), König Leopold II. von Belgien (1897) und auch der englische König Edward VII. (1904) die Kieler Woche. Sein Besuch sollte dazu beitragen, die vor allem durch das deutsche Flottenbauprogramm gestörten Beziehungen zum Vereinigten Königreich zu verbessern. Mit dem Fest für die neuen Kanalschleusen sollte 1914 erneut ein Glanzpunkt gesetzt werden. Das Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajewo fiel mitten in die Kieler Woche.
Die Regatten wurden abgebrochen, auch sieben britische Kriegsschiffe brachen ihren Besuch ab. Zum Abschied signalisierten sie: "Friends for now and friends for ever".
Nach dem Ersten Weltkrieg sollte die Kieler Woche kein Fest der Elite mehr sein, dem das Volk nur zusehen darf. Aus dem Segelfest wollte man ein Sportfest machen. Doch in letzter Minute wurde alles abgesagt. Die Annahme der Versailler Friedensbedingungen stand unmittelbar bevor. In diesen Tagen "tiefster Demütigung" wollte der Kaiserliche Yachtclub nicht zu fröhlichen Wettkämpfen auffordern. Damit war auch die Idee des Kieler Sportfestes zu den Akten gelegt. Ab 1920 gab es wieder die Regatten zur Kieler Woche. Da die Zeiten der großen Yachtschoner mit ihren Herrenseglern und professionellen Mannschaften vorbei war, wurden kleine Bootsklassen gefördert.
Die Meldezahlen der Nachkriegsjahre lagen niedrig. Man hatte andere Sorgen. Politisch war Deutschland isoliert, und so blieb man lange unter sich. Nur einige Segler aus dem neutralen Schweden kamen nach Kiel. Erst nach 1926 ging es wieder aufwärts. Nachdem Deutschland in den Völkerbund aufgenommen worden war, wurde die Kieler Woche wieder zu einem internationalen Treffen für Segler und die Marine.
1933 nahmen sich die Nationalsozialisten der Kieler Woche an, die "im Interesse des Volksganzen in Zukunft mehr zu Veranstaltung des gesamten Volkes" werden sollte. Sie wurde zur "Reichssache". Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten übernahm 1934 die Organisation. "Mit eisernem Besen" wollte er mit der "Eigenbrötelei restlos Schluss machen". Die gleichgeschalteten Zeitungen prophezeiten die Rückkehr zu alter Größe. In der Tat kamen 540 Boote aus 14 Nationen. Den ausländischen Gästen gegenüber war man offen, freundlich, betont friedlich. Gleichzeitig wurden jedoch die Organisationen der NSDAP mobilisiert, um mit Aufmärschen und Großveranstaltungen die Macht des "Dritten Reiches" nach innen und außen zu demonstrieren. Selbst im Jahr der Segelolympiade 1936 konnte an den Erfolg von 1934 nicht mehr angeknüpft werden.
Nach dem zweiten Weltkrieg nahmen die britischen Besatzer die Tradition wieder auf. Schon September 1945 gab es eine "Kiel Week", 1946 die zweite. Die Stadt indessen tat sich mit dem Erbe schwer. Sie ließ nicht das Segelereignis, sondern die Herbstwochen für Kunst und Wissenschaft aus den 1920er Jahren wieder aufleben. 1948 gab es erstmals zwei Kieler Wochen. Im Sommer ein noch bescheidenes Seglertreffen, im Herbst die Kultur. Ausrichter der Regatten war der Kieler-Yachtclub (KYC). Er hatte sich 1946 neu gegründet, nachdem der Kaiserliche Yacht-Club von den Nationalsozialisten zum "Yacht-Club von Deutschland" gemacht worden war, den schließlich die Briten auflösten und dessen Eigentum sie beschlagnahmten.
1949 wurden dann Sport und Kultur zu der Kieler Woche vereinigt, wie sie bis heute begangen wird. 1954 bot Kiel wieder das größte Seglertreffen der Welt. Die Segel- und Kulturwoche wurde auch wieder ein Forum für die Diplomatie. Bonner Prominenz traf sich am Rande der Kieler Woche mit ausländischen Politikern. Besonders die Beziehungen zu den skandinavischen Nachbarn wurden reaktiviert.
In den 1970er bis 1990er Jahren setzte die Kieler Woche bewusste und wesentliche Akzente für Annäherung an die Staaten des Ostblocks. 1957 - die Kieler Woche feierte ihr 75jähriges Bestehen - kamen 300 Yachten mit 800 Seglern aus 13 Nationen. Dazu hatte die junge Bundesmarine Flottenbesuche aus den USA, Großbritannien und Frankreich. Ein Bild wie in alten Tagen, merkte die "Kieler Volkszeitung" nicht ohne Kritik an. Doch die Kieler Woche hatte nicht nur durch das Kulturprogramm schon neue Akzente bekommen. Sie wurde Zug um Zug auch zu einem Fest für die gesamte Bevölkerung. Holstenbummel, Internationaler Markt, Angebote in der ganzen Stadt und vor allem für Kinder prägen inzwischen das Programm.
Mit der Olympiade 1972 kam die Großseglerparade dazu, nach dem Vorbild der Spiellinie des Münchner Olympiageländes gibt es seit 1974 die "Spiellinie an der Kiellinie". 1982 erlebte die Kieler Woche anlässlich ihres 100jährigen Jubiläums einen glanzvollen Höhepunkt. Inzwischen melden jedes Jahr bis zu 4.000 Segler mit 1.600 Jollen und Yachten zu den Wettbewerben. Der Termin der Kieler Woche liegt seit langem fest. Sie beginnt mit der letzten kompletten Woche im Juni.

Wir verbringen den ganzen heißen Tag hier an der Förde und auf dem Rückweg fahren wir noch mit dem Riesenrad, um den Ausblick auch von oben zu genießen. Und weil es so heiß ist, trinkt Manfred noch ein kühles Blondes Königs-Pils.

Wir fahren dann weiter auf der Autobahn E7 nach Hamburg. Bei der Ausfahrt HH-Schnelsen-Nord, Nr. 23, biegen wir zum gleichnamigen Campingplatz ab und freuen uns auf eine ausgiebige Dusche.

Das Wetter heute: Sonnig und heiß.
KM-Stand: 26.437
Tagesstrecke: 117 km

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